POSITIONSPAPIER 2019
AKNM-Medienkonzept für Kita und Grundschule
Gesundheit und Bildung teilen – digital, sozial, chancengerecht! (GEBIT)©

Zusammenfassung

Seit 20 Jahren nutzt der AKNM digitale Medien, um Kindern Bildungsinhalte und Alltagsthemen
„anschaulich“, profund und motivierend verständlich zu machen. Unser vorrangiges Thema entspricht
der individuellen und gesellschaftlichen Relevanz: „Gesunde Ernährung und Lebensweise“. Zu einer
gesunden Lebensweise zählt heute mehr denn je die in unseren Workshops praktizierte, förderliche
Mediennutzung. 155.000 Kinder, deren Eltern und Pädagogen sind von unserem Medienkonzept
überzeugt. Nun ist eine Plattform gefragt für eine flächendeckende, chancengerechte Bereitstellung
und Schulung unserer ganzheitlichen Spiel- und Lernangebote.

Hintergrund

Laut Agenda 2030 und dem Grundgesetz ist die vorrangige Pflicht und Aufgabe einer Gesellschaft,
das „Kindswohl“, die körperliche und seelische Gesundheit ihrer Kinder sowie deren frühe,
chancengerechte Bildung zu gewährleisten. Dies gelingt umso besser und nachhaltiger, je früher
Kinder selbst durch alters- und zeitgemäße Information und Erfahrung zu einem förderlichen Umgang
mit ihrer Gesundheit und ihren Bildungsmöglichkeiten befähigt und motiviert werden. Dabei gilt das
„reziproke Junktim“: Je besser die Bildung, umso besser die Gesundheit und umgekehrt.
Welche konkreten Themen und Fähigkeiten für eine gesunde Bildungs- und Lebensbiographie in
unseren Bildungseinrichtungen vermittelt werden müssen, regeln für Kita und Grundschule die dort
verbindlichen Rahmen- und Bildungsvereinbarungen bzw. Curricula. Gesundheit und Medienkompetenz
gehören beide in den jeweiligen Pflichtenkanon.
Wenn aber das Thema „Medien“ in der Grundschule und vor allem in Kitas bis vor kurzem de facto
kaum vertreten war, dann vielfach wegen fehlender technischer, finanzieller und personeller Voraussetzungen,
vor allem aber wegen fehlender pädagogischer Medienkonzepte und -inhalte sowie der
immer noch großen Zahl an medienpädagogisch unvorbereiteten Erziehern und Grundschullehrern.
Ca. vierzig Jahre nach der digitalen Revolution besteht jetzt die Chance, dass sich die Situation im
Rahmen der aktuellen Förderprogramme („gute-Kita-Vertrag“ und „Digitalpakt“) schnell ändern kann.
Eine wesentliche Gelingensvoraussetzung dieser Förderung ist, dass die geplante, enorme Investition
in Technik pädagogisch motiviert bleibt und sinnvoll wird, dadurch dass nach der wohl überlegten
Wahl der Hardware und der Art und Weise ihres zukünftigen Einsatzes sehr bald die Medienkonzepte
und pädagogisch wertvolle Programme folgen, vor allem aber die nötige Aus- und Weiterbildung für
deren Einsatz.
Diese Sichtweise ist allerdings nicht unumstritten, im Gegenteil: Das derzeitige Vakuum zwischen
gegebenem, oft viel zu frühem, exzessivem Mediengebrauch von Kindern im Alltag mit gleichzeitig
beobachteter Häufung an körperlichen wie psychosozialen Fehlentwicklungen einerseits und den
geforderten, aber weitestgehend noch fehlenden Medienkonzepten für Bildungseinrichtungen
andererseits führt zu Irritation, Hilflosigkeit bis hin zu Extrempositionen, auch unter renommierten
Fachwissenschaftlern: Von der absoluten Befürwortung („Computer machen Kinder schlau“) über die
begründete Forderung einer dringend notwendigen, „Technikfolgeabschätzung der Digitalisierung“ in
Form einer interdisziplinären Langzeitforschung (BVKJ und BLIKK-Studie); von der Forderung nach
einer drastisch verzögerten Mediennutzung erst ab 10 bzw. 12 Jahren (Präventionsprogramm „Echt
dabei“) über die Empfehlung zum „Medienfasten“ (Universität Herdecke) bis hin zur provozierend
formulierten Ablehnung der Medien in der Pädagogik („Die Lüge von der digitalen Bildung“).
Dieser Verunsicherung und vor allem der möglichen Gefährdung von Kindern durch Medien soll und
muss Einhalt geboten werden, aber wie?
Für die Beantwortung dieser Frage und auch für das Verständnis der unterschiedlichen Positionen ist
zunächst folgende Klarstellung entscheidend: Die aktuelle Kontroverse bzgl. der Mediennutzung von
jungen Kindern impliziert in der Regel die „landläufigen“ Medienangebote und deren übliche
Nutzungsformen. Gemeint sind die vielfach flachen, kurzweiligen, thematisch unverbundenen Apps
oder online-Spiele, oft ohne Ästhetik, ohne Kontext, ohne Lern- und Zielorientierung, ohne
pädagogischen Mehrwert, die aber für die – in der Regel allein spielenden – Kinder selbst aufgrund der
vielfach ausgeklügelten Vermarktungs- und Belohnungsstrategien einen hohen Unterhaltungswert –
und für die Eltern einen verführerisch nahe liegenden Betreuungswert – haben! Insgesamt bedauern
Eltern gleichzeitig diese Anspruchslosigkeit und vor allem die Qual der Wahl bei der erdrückenden
Vielzahl von Spieleangeboten sowie die monotone Freizeitbeschäftigung und die „erschreckende
Bewegungslosigkeit“ ihrer Kinder. Sie wünschen sich Rat und Unterstützung durch Initiativen wie
„schau hin“, AKJS (Aktion Kinder- u. Jugendschutz), durch Jugendämter und Medienanstalten, am
häufigsten von den für ihre Kinder zuständigen und direkt verantwortlichen Pädagogen.
Genau diese Fragestellung bzw. Aufgabe war schon vor 20 Jahren Anlass für die Gründung des
AKNM-ArbeitsKreisNeueMedien, ein Zusammenschluss von Schulleitern aller Schulformen, Lehrern,
Erziehern und Fachreferenten. Angesichts der sich ankündigenden „digitalen Druckwelle“ wollten und
mussten wir wissen: Worin genau bestehen die Gefahren des frühen Medienkonsums aus pädagogischer
Sicht? Wie könnten diese und auch eventuelle Langzeitschäden ausgeschlossen werden, um
die zweifelhaft gegebenen Vorteile der Medien auch in der Pädagogik zu nutzen? Ab welchem Alter
profitieren eine verantwortungsvolle Pädagogik und vor allem die Kinder von den Medien? Unsere
Antwort und „moderate“ Position fanden wir als Lehrer, Erzieher, Kinderärzte, pädagogischer
Psychologen, Sportwissenschaftler, Diplombiologen, Oekotrophologen etc. auf der Basis unserer
fundierten Fachausbildungen. Unser AKNM-Konzept für einen verantwortungsvollen, zeitgemäßen
und „gesunden“ Mediengebrauch von Kindern basiert im Wesentlichen auf folgenden Thesen:

  1. Die frühe Persönlichkeitsprägung und Einstellungsbildung von Kindern ab 5-6 Jahren einerseits
    und der faktisch gegebene, auch in diesem Alter schon allgegenwärtige Mediengebrauch im Alltag
    andererseits machen eine frühe Thematisierung und modellhafte Medienbegleitung nach
    pädagogischen Kriterien ab dem Vorschulalter, d.h. für Kinder ohne Schreib- und Lesefertigkeiten
    zwingend erforderlich.
  2. Die in Bildungseinrichtungen genutzten Medienangebote müssen nach pädagogischen, methodischdidaktischen
    Kriterien erstellt werden, entlang entwicklungspsychologisch, lernpsychologisch und
    medizinisch begründeter Richtwerte, als motivierende und bereichernde Elemente in einem
    ganzheitlichen Kontext, als anspruchsvolle, facettenreiche und schlüssig verbundene Inhalte in
    einem übergeordneten, multiperspektivischen Themen- bzw. Lernfeld, als motivierende Einstimmung bzw. in sinnvoller
    Ergänzung zu klassisch-analogen Verfahren, immer im „Methoden-Mix“, immer mit Bewegung.
    Derzeitig verfügbare Spiel- und Lernsoftware für junge Kinder erfüllt diesen Anspruch noch kaum
    oder setzt – in der Regel auch für das individuelle Lernen gedacht – zudem die Beherrschung der
    Schriftsprache voraus.
  3. Insgesamt sollen digitale Medien in der Elementar- und Primarpädagogik reduziert, punktuell,
    gezielt und altersgerecht nur dann eingesetzt werden, wenn sie für die Entwicklung der Kinder bei
    ihrem Erwerb von Wissen, Weltverständnis und Lebenskompetenz gegenüber analogen Methoden
    einen Mehrwert haben. Sie sollten die Intention und die Voraussetzungen mit sich bringen, Kinder
    mit jetzt erweitertem Verständnis von der digitalen Welt wieder in die analoge zu führen, sie durch
    ihren hohen Motivations- und Erklärwert für letztere verstärkt zu interessieren und zu begeistern,
    um dann das neue Wissen und die neuen Werthaltungen – einschließlich Stellenwert der Medien –
    auch privat mit den Eltern zu reflektieren und nach Möglichkeit im Alltag konstruktiv umzusetzen.
  4. Unsere Bildungseinrichtungen übernehmen aufgrund des Ganztagsbetriebes zunehmend die
    Funktion des „Zuhauses“. Von daher sollte insbesondere die Mediennutzung in einem neuen
    Lernszenario stattfinden, in möglichst freien Räumen, mit Platz für Gestaltung und vor allem
    Bewegung, möglichst in der Großgruppe, immer im Verbund mit Sprache und Kommunikation.
  5. Unter diesen Voraussetzungen wird der alternative Medieneinsatz zum gemeinsamen Thema für
    Pädagogen, Kinder und Eltern – und darüber der beklagte „Hype“ der Kinder am ehesten reduziert.